Die Schwiegermutter bringt mich zur Weißglut. Der Kollege nervt mich. Der Typ hat mich verletzt. Die Freundin hat mich beleidigt. In solchen Situationen kommen Gefühle hoch, die wir nicht als angenehm empfinden. Vermeintlicher Verursacher für diese negativen Gefühle ist dann das Gegenüber, welches uns auf den Schlips getreten ist. Aber können andere Menschen wirklich direkt Gefühle in uns auslösen? Sind sie dafür verantwortlich? Dann wären wir ja Opfer unseres Umfeldes und ziemlich ausgeliefert.

Wie entstehen Gefühle?

Das limbischen System, ein sehr alter Bereich des Gehirns (es entstand mit der Entwicklung von Säugetieren), ist hauptverantwortlich für unsere Gefühle. Aus Sicht der Evolution sind sie notwendig, unser Fortbestehen zu sichern. Die Angst vor dem Säbelzahntiger schützte uns vor Gefahr. Umgekehrt sicherte ein Zugehörigkeitsgefühl zum Stamm, Vertrauen und Liebe zu anderen Stammesmitgliedern, die Fortpflanzung der Menschheit.

Ein Gefühl ist die Reaktion unseres Körpers auf die Einschätzung einer Situation (es sind schon viele aus dem Stamm vom Säbelzahntiger gefressen worden).

Es gibt unterschiedliche Ansätze, wie viele Grundgefühle es gibt. Bei Angst, Ärger, Trauer und Freude sind sich alle einig. Oft werden noch Wut, Ekel, Verachtung, Aggression und Schmerz genannt. Das sind Gefühle, die bei Tests eindeutig in den Gesichtszügen aller Menschen, unabhängig ihrer Herkunft, abzulesen sind.

Wir empfinden aber noch viel mehr:

Verliebtheit, Gier, Eifersucht, Scham, Lust, Langeweile, Verzweiflung, Sorge, Neid, Schuld, Hass, Hoffnung, Reue, Entsetzen usw. Menschen empfinden diese Gefühle unterschiedlich intensiv. Manche kennen einige Gefühle so gut wie gar nicht, während andere regelrecht davon zerfressen werden.

Warum reagieren Menschen unterschiedlich auf gleiche Situationen?

Warum regt der eine sich extrem auf, wenn ihm die Vorfahrt genommen wird, und der andere zuckt nur leicht mit den Schultern?

Einige automatisch ablaufende Gefühlsregungen schützen uns auch jetzt noch. Z.B. sorgen Erschrecken und Angst dafür, dass wir sehr schnell zurückspringen, wenn ein Auto verdächtig nahe am Bürgerstieg vorbeirast.

Andere Gefühlsregungen hemmen uns im Leben wirklich, zumindest lassen sie unsere Laune in den Keller sinken.

Wie oben geschrieben, ruft die Bewertung einer Situation Gefühle hervor. Wie bewerte ich eine Situation? Indem ich darüber nachdenke. Oft liegen auch Glaubensätze dahinter, so dass das (negative) Bewertungssystem sehr tief verankert ist.

Ich erinnere mich an eine Situation in der U-Bahn. Diese war sehr voll und ein junger Mann saß mit ausgestrecktem Bein, so dass alle drüber steigen mussten. Ich dachte: „Man ist das unverschämt, was bildet der sich ein“, habe mich geärgert, aber nichts gesagt. Ein älterer Herr regte sich furchtbar laut auf. Der junge Mann sagte dann: „Das ist mir wirklich unangenehm und tut mir leid, aber ich kann meine Prothese leider nicht einziehen“. Schlagartig war mein Ärger weg und auch die restlichen Menschen in der Bahn schauten sehr mitfühlend.

Hat sich etwas an der Situation geändert? Nein. Aber die Bewertung darüber.

Es sind also Ihre negativen Gedanken, die Ihre negativen Gefühle auslösen.

Deshalb sagt man auch, dass das erste Baugefühl richtig ist. Dieses entsteht noch bevor unsere Gedanken „reinfunken“.

Das Sprichwort „Der Pessimist sieht das Glas halbleer, der Optimist halbvoll“ kommt nicht von ungefähr. Die Sicht auf die Dinge beeinflusst, wie ich mich fühle.

Es geht dabei nicht darum, alles schönzureden und die Realität zu leugnen. Das ist ein Missverständnis über positives Denken. Angst, Trauer, Wut haben ihre Berechtigung, müssen ihren Platz erhalten und dürfen vor allem nicht ignoriert werden. Es ist wichtig, diese negativen Gefühle auszuhalten und sich zuzugestehen. Nur wenn man z.B. Trauer verarbeitet, kann man wirklich loslassen und sich Neuem zuwenden.

Aber müssen Sie sich immer ärgern, wenn Ihre Schwiegermutter eine spitze Bemerkung macht oder Ihr Kollege wieder einmal einen blöden Spruch ablässt?

Gedanken, Gefühle und Körper sind untrennbar miteinander verbunden.

Jedem Gefühl folgt immer eine körperliche Reaktion. Je intensiver, umso deutlicher. Wir lächeln leicht, lachen lauthals, vielleicht sogar bis uns die Tränen kommen. Uns können aber auch Tränen vor Freude, Traurigkeit oder Rührung kommen.

Auch an der Körperhaltung können wir erkennen, wie es anderen Menschen geht. Wer mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern durchs Büro läuft, dem wird es eher nicht gut gehen.

Umgekehrt beeinflusst aber auch der Körper unsere Gefühlslage. Die kleine Übung „Mundwinkel nach oben ziehen“ funktioniert wirklich. Die vielen kleinen Muskeln liefern an das Gehirn die Information „glücklich“. Damit wird der chemische Prozess in Gang gesetzt und erzeugt ein glückliches Gefühl. Probieren Sie es aus.

Wie können Sie Ihre Gefühle beeinflussen?

1. Rufen Sie sich immer ins Bewusstsein, dass Sie Herr/Herrin über Ihre Gefühle sind.

Wenn Sie merken, dass Sie ein negatives Gefühl überkommt, treten Sie innerlich einen Schritt zurück und überlegen sich, was es Ihnen bringt und wie Sie Ihre Gedanken ändern können.

2. Achten Sie auf Ihre Körperhaltung, gerade wenn es Ihnen nicht gut geht.

In einer Psychiatrie wurde Menschen, die an Depressionen erkrankt sind, eine Halskrause angelegt, damit der Kopf oben bleibt und der Blick nach vorn gerichtet ist. Das hat deutlich zu Gefühlsverbesserungen beigetragen. Sie sollen jetzt keine Halskrause tragen, aber Kopf hoch! Und achten Sie auf Ihre Mimik.

3. Setzen Sie sich Anker.

Was ist damit gemeint? Versetzen Sie sich in eine Situation, in der Sie Ihr gewünschtes Gefühl so richtig intensiv erlebt haben. Wenn Sie spüren, dass Sie tief in diesem Gefühl sind, verbinden Sie das mit einem sogenannten Anker. Dieser kann visuell oder körperlich sein. Entweder Sie „brennen“ sich ein bestimmtes Bild im Kopf ein oder Sie verbinden das mit einer körperlichen, unauffälligen 😉 Handlung (Faust ballen, Fingerspitzen zusammenführen oder ähnliches). Jedes Mal, wenn Sie es brauchen, können Sie über diesen Anker dieses gute Gefühl abrufen.

Wie gehen Sie mit negativen Gefühlen um? Was hilft Ihnen da schnell rauszukommen? Schreiben Sie es gern in den Kommentar.

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